Zwischen MC PeterMaffayWilkens, dem Bundesrat unter Fremdherrschaft und dem verdammten Großstadtdschungel…
von Christoph Schwengels und Christoph Wilkens (Fotos)
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Prolog
Alle Jahre wieder lädt der deutsche Bundesrat Schüler eines bestimmten Bundeslandes dazu ein, an ihrem Planspiel „Jugend im Bundesrat“ teilzunehmen. In dem Planspiel selbst müssen die Schüler die Arbeit des Bundesrates nicht nur ansehen, sondern sie gleich selber ausführen. Anlässlich der Neuwahl des Amtes des Bundesratspräsidenten, welches nun von dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil wahrgenommen wird, war dieses Jahr das Land Niedersachsen das Auserwählte. Alle Schulen mit gymnasialer Oberstufe konnten sich bewerben, am Ende sollten sechs Oberstufenkurse Tickets für die Fahrt in die Hauptstadt bekommen.
Da dachten wir – der Politikkurs Po 301 unter Anleitung des Herrn Wilkens – „Warum nicht?“. Mit diesem Grundgedanken produzierten wir also ein mehr oder weniger professionelles Bewerbungsvideo, welches prompt und zur allgemeinen Überraschung angenommen wurde .
Terminlich lag diese Veranstaltung eigentlich sehr gut, der Zeitraum vom 19.11.2013 bis zum 22.11.2013 (mitten in der Woche) hatte den Vorteil, dass jeder von uns nichts Besseres zu tun hatte. Und so eine Unterrichtsbefreiung ist ja auch ganz nett. Die Freude war also dementsprechend groß. Wer das auch einmal machen möchte: Nicht verzagen, in 16 Jahren ist Niedersachsen wieder dran!
Anstrengungen
Nach der viel zu frühen und viel zu langen Fahrt kamen wir seltsamerweise pünktlich in unserem Hotel an. Auspacken oder uns vom vielen Rumsitzen um Bus ausruhen konnten wir jedoch vergessen, schließlich hatten wir ja gleich unseren ersten offiziellen Termin mit der Landesvertretung Niedersachsens. Dort angekommen konnten wir zunächst die Verständigung mit den Schülern der anderen Schulen erproben – insgesamt 120 Schüler – und Michael Rüter, den Bevollmächtigten des Landes Niedersachsen beim Bund, näher kennenlernen. Achja, Lasagne gab es auch.
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Der schlussendlich noch von uns überreichte Ostfriesentee an Michael Rüter schindete auch noch großen Eindruck.
Später am Tag konnten wir zum ersten Mal das Preußische Herrenhaus (den Sitz des Bundesrates) von innen begutachten und alles über darüber auswendig lernen. Das Gleiche gilt auch für den zu später Stunde besuchten Bundestag, welcher nicht nur durch den Mangel an Sitzgelegenheiten, sondern auch durch seine besondere Architektur, einigen Denkmälern und Anekdoten, aber auch Asbestgefahr beeindruckte. Die Hiobsbotschaft, dass wir nach dem endlos langen Tag um 22:15 im Hotel zu sein hätten, sorgte danach aber kaum noch für Furore, da alle bereits viel zu müde waren.
Eben noch Schüler, plötzlich schon Minister
Aber nun zum eigentlich interessanten Teil der Kursfahrt: Das Planspiel „Jugend im Bundesrat“. Am zweiten Tag erhielten wir zunächst eine Einführung in das Projekt. Jeder Schüler würde einen Minister darstellen, der sowohl einem Land als auch einer Partei angehört. So gab es z.B. Minister für Arbeit und Soziales, Familie, Forschung und Technik, aber auch Regierende Bürgermeister oder eine Ministerpräsidentin in unseren eigenen Reihen. Beraten wurde sich über drei teilweise stark diskutierte Themen: Der Frauenquote, dem sogenannten CCS – ein Verfahren zur CO2-Ablagerung im Boden – und über die flächendeckende deutschlandweite Bebauung mit Babyklappen. Jeder „Minister“ war in seiner Rolle für jeweils ein Thema zuständig, da er versucht war, sowohl sein Land, aber auch seine Partei im Bundesrat gebührend zu vertreten, entstanden zwangsläufig einige Konflikte und zum großen Teil waren diplomatische Fähigkeiten oder zumindest Versuche unumgänglich, da Kompromisse zwischen den Ländern, den Parteien, aber auch in den Landesvertretungen selbst unbedingt notwendig waren.
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Der Regierende Bürgermeister der Hansestadt Hamburg
Getroffen wurde sich in unterschiedlichen Gruppen. Einerseits gab es die vielleicht bereits erwähnten Landesvertretungen und Parteien, andererseits auch „Experten“-Ausschüsse, in denen sich die jeweiligen Minister – z.B. Arbeit und Soziales – über ihr Thema unterhielten und Empfehlungen an die Länder entwickelten.
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Leitung einer Ausschusssitzung
Das ganze endete mit einer von den Junior-Journalisten selbst gestalteten Nachrichtensendung.
Und bevor ich es vergesse, die Lasagne im Bundesrat soll noch schlechter geschmeckt haben als die vorherige.
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Die Ereignisse des Tages werden in der Nachrichtensendung kommentiert.
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Nach unserem ersten Arbeitstag hatten die frischgebackenen Freilauf-Minister diesmal bis kurz vor 11 Freizeit, welche unterschiedlich genutzt wurde, jedoch zum großen Teil in einer bestimmten Cocktailbar endete. Einen Zusammenhang zwischen genussmittelhaltigem Kaltgetränkekonsum und dem Beruf eines Ministers möchte ich hierbei jedoch eindeutig ausschließen. Und: Ja, Herr Wilkens, von uns wurden nur vegetarische Cocktails verzehrt.
Die verzwickte Suche nach gemeinsamen Positionen
Der zweite und letzte Tag unserer durchaus erfolgreichen Ministerkarriere schloss mit der ersten und einzigen Plenarsitzung. Aber dazu brauchte es noch einige Vorbereitungen. So wurden Reden entwickelt, in allerletzter Minute noch Kompromisse geschlossen oder abgelehnt und die endgültige Position der Landesvertretungen festgelegt.
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Die Ministerpräsidentin des Landes Brandenburg leitet die Meinungsbildung innerhalb ihres Bundeslandes.
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In diesem Ausschuss ist man sich ausnahmsweise mal einig
Aus Spaß wurde Ernst: Die Plenarsitzung
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Starker Presseandrang vor der Plenarsitzung
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Die Plenarsitzung selbst kam zu überraschend kontroversen, aber auch einigen klaren Ergebnissen, welche nun aber kaum noch aufzählbar sind. Und auch hinter dem Rednerpult war das Ulricianum vertreten, so gab es eine – im einstelligen Bereich befindliche – Zahl an Reden von Schülern des Ulricianums.
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Ein flammendes Plädoyer zum Gesetzentwurf rund um die Babyklappe
Aber trotz der Genialität unserer Schüler kam zum Teil doch der Ministeralltag zum Vorschein. Themen, die man nicht behandelte bzw. sich damit nicht auskannte, wurden doch schnell etwas langweilig, da konnte man doch schnell mal abschweifen. Dass man selbst zumeist nicht mit abstimmen konnte, da es sogenannte Stimmführer gab, welche in Vertretung für das Land wählten, unterstütze das bereits beschriebene Gefühl umso mehr. Aber nachdem, was wir so mitbekamen, war auch dies eine durchaus gelungene Simulation des Politikeralltags.
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Nicht alle Schüler waren während der Plenarsitzung so konzentriert wie die Ulricianer
Enden tat die Veranstaltung mit einer Danksagung, einem Fazit unsererseits und durch die Mitarbeiter des Bundesrates und Geschenken. Es gab Tassen, und die Stifte, welche uns bereitgestellt wurden, durften wir auch behalten. Aber nicht nur wir erhielten etwas, auch der Bundesrat bekam etwas von uns zurück: Ostfriesentee. Der aufmerksame Leser wir bemerkt haben, dass dies bereits einmal vorkam, aber nein, ich wiederhole mich nicht. Da waren wir wohl besonders einfallsreich. Aber auch dieses Mal sorgte der Tee wieder für einige Freude und Gelächter.
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Nein, die Fahrt wurde nicht von Bünting gesponsert…
Bevor ich nun aber zur Abfahrt und dem Fazit komme, darf eins nicht unerwähnt bleiben:
Der irische Pub
Dieser besagte Pub, welchen wir mit dem gesamten Kurs besuchten, hielt alle paar Wochen eine Besonderheit für seine Kunden bereit. Es handelt sich um eine Karaokemaschine. Aber dazu später mehr.
Unser Pubbesuch war überschattet von vielen Dingen, einerseits waren Romans Geburtstag und unsere erfolgreiche Arbeit Anlässe zum Feiern, andererseits herrschte Trauer über unsere Entlassung aus unseren politischen Ämtern, und dann war Alexander bereits abgereist (nein, er hat sich anständig verhalten, hatte aber wichtige Termine).
Diesen Umstand konnte unser – unter dem Synonym Christophito auftretender – Kursleiter Herr Wilkens nicht ertragen, er wusste, dass er wird einschreiten müssen, damit die Stimmung nicht kippt. Und wie könnte ihm das besser gelingen als durch seine bis dato geheime Leidenschaft?
Seitdem ist und bleibt seine Karaokeversion von Peter Maffays „Und es war Sommer“ ein unvergesslicher Höhepunkt der Kursfahrt, welcher nicht nur den Abend rettete, sondern auch so einiges Frauenherz eroberte. Und wenn wir gerade dabei sind: die äußerst stark ausgeprägte Affinität eines Sängers aus der Hauptstadt für eins unserer Kursmitglieder war auch sehr unterhaltsam.
Resignation
Wir wussten es, der Tag der Abfahrt würde irgendwann kommen, und da war er auch schon. Während wir uns noch über die eine oder andere Fehlentscheidung oder das ein oder andere Parteimitglied ärgerten, bereute Herr Wilkens, dass wir nun von seinen Fähigkeiten wussten, da wir forderten, dass er uns ab jetzt singend zu begrüßen hätte. Als wir nun aber schlussendlich wieder zuhause ankamen, waren wir zunächst erleichtert, mussten uns aber erst wieder an dieses „normale Leben“ gewöhnen. Nun waren wir nichts Besonderes mehr. Aber immerhin hatten wir gleich Wochenende.
Das Fazit
Die Erfahrungen, die wir in dieser Zeit machten, waren durchaus wertvoll. Wir erhielten einen umfassenden Einblick in die wirkliche Arbeit und den Alltag des Bundesrates, welcher uns zeigte, dass hinter dem Gesetzgebungsverfahren doch weitaus mehr als nur ein „bisschen“ Diskussion steckt. Der betriebene Aufwand ist deutlich größer als wir vorher dachten. Aber auch haben wir Kritik, so hätten wir uns unsere Meinungen doch gerne stärker selbst gebildet. Uns wurden nämlich durch die Parteien, aber auch durch die Bundesländer strikte Rollenvorgaben gemacht, wie wir zu unseren jeweiligen Themen zu stehen haben, was uns dann doch stark einschränkte. Und auch die Presse hätte vielleicht doch ein wenig mehr Freiheit vertragen können. Aber im Großen und Ganzen war die Sache doch den Aufwand wert.
Schlussendlich haben wir noch Herr Wilkens (MC PeterMaffayWilkens, der Eintrag auf Wikipedia folgt) und Frau Michels zu danken, die uns das Ganze nicht nur erst ermöglichten, sondern trotz aller Widrigkeiten und obwohl Frau Michels Geburtstag hatte, begleiteten.