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Marieke blickt zurück auf Oregon: „Von der Herzlichkeit überwältigt“

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Für Schülerin aus Aurich endete das Austauschjahr – in der letzten Folge der ON-Serie zieht sie ein Resümee

 
Adrian/Aurich. Zum Ende hin denkt man viel nach und erinnert sich oft an die ersten Monate. Was wäre passiert, wenn ich das Angebot, nach Adrian zu ziehen, nicht angenommen hätte? Man stellt sich die Frage, wie es gewesen wäre, wenn der Gastfamilienwechsel nicht stattgefunden hätte.

Dieses Schuljahr war von Entscheidungen geprägt. Manchmal weiß man nicht, was das Richtige ist. Manchmal werden auch einfach Entscheidungen über den eigenen Kopf entschieden, ohne eigenen Einfluss: Ich hätte vor dem Auslandsjahr nie gedacht, dass ich vielleicht die Gastfamilie wechseln müsste (eine Vorgabe der Organisation, die für den Austausch verantwortlich ist), da diese bereits seit über zehn Jahren Austauschschüler aufnimmt und noch nie jemand aus dieser Familie wechseln musste. Im Nachhinein betrachtet war dies für mich vielleicht auch gut so. Wer weiß schon, ob man sich überhaupt für ein Auslandsjahr entschieden hätte.

Eine meiner besten Entscheidungen war es, zum Ende des Schuljahrs die Leichtathletik (Track) zu wählen. Im Frühling kann man sich zwischen Softball und Track entscheiden. Meine erste Überlegung war es, Softball zu wählen, da ich ein großer Fan vom Mannschaftssport bin. Track hingegen schien mir eher langweilig zu sein. Aber meine Leidenschaft zum Laufen hat gewonnen. Das Training war, vor allem am Anfang, nicht immer leicht. Zunächst musste ich mich an weitaus kürzere Strecken gewöhnen. Mir als Langstreckenläufer fiel es schwer, auf den ersten Wettkämpfen die Strecken von 3000 oder 1500 Meter zu bewältigen. Es sind knallharte Rennen, in denen man an seine Grenzen stößt.

 

State-Meisterschaft
Das harte Training hat sich durch persönliche Bestleistungen aber ausgezahlt. Mein großes Ziel war es, an den State-Meisterschaften teilzunehmen. Und diese rückte immer näher. Um überhaupt an „State“ teilnehmen zu können, muss man bei einem Qualifikationswettkampf, Districts genannt, zu den besten zwei gehören. Oregon ist in fünf Districts unterteilt, so dass es in jeder Disziplin zehn Starter gibt. Es dreht sich beim Track alles nur um die State-Meisterschaften, da es das große Ziel eines jeden Sportlers in Oregon ist, an dieser Meisterschaft teilzunehmen. Mir wurde von Schülern und Lehrern viel über „State“ berichtet. Aber jetzt, nachdem ich selbst teilgenommen habe, kann ich diese Euphorie verstehen.

Die Atmosphäre und der professionelle Ablauf sind mit den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften zu vergleichen. Das Haywardfield in Eugene, in dem die diesjährigen Juniorenweltmeisterschaften der Leichtathletik stattfinden, war während der Wettkämpfe immer gut besetzt. Alle wurden frenetisch angefeuert. Für mich wird dieses Track-Meet ein unvergessliches Erlebnis bleiben.

 

Die Graduation
Nach diesen Tagen in Eugene stand dann die Graduation an. Am Ende der zwölften Klasse findet die so genannte High School Graduation statt, bei der jedem Schüler sein Abschlussdiplom persönlich überreicht wird. In den USA gibt es keine unterschiedlichen Schulformen. Hier entscheidet nur der GPA (Durchschnitt der Jahresendnote), über den weiteren Werdegang.

Um ein College (Studium) finanzieren zu können, müssen von den Schülern sogenannte Scholarships (eine Art von Stipendien) gesammelt werden. Scholarships erhält man beispielsweise für ausgezeichnete Noten, Gemeindedienste, besonderes Engagement im Sport oder in der Schule. Bei dieser Veranstaltung wird in den USA sehr viel Wert auf Tradition gelegt, die sich in dem streng eingeübten Ablauf des Abends widerspiegelt. Zunächst wird die Nationalhymne gesungen. Das Tragen des „Cap and gown“ (der Universitätsuniform für den Abschlusstag), Nominierung der besten des Jahrgangs, Nennung der Scholarships, Anerkennung der Mütter durch Überreichen von Rosen und die abschließenden Foto-Sessions. Für mich war die Graduation ein schwerer Schritt, da es nicht nur der Abschluss eines besonderen Schuljahres, sondern auch die Abschiedsfeier für mich war. Unter allen Abschlusssolventen war ich die einzige mit zwei Elternpaaren. Meine Eltern sind am Wochenende angereist, um die Graduation miterleben zu dürfen. Für sie und mich waren diese paar Stunden besondere Momente. In der anschließenden Woche ging es auf eine abenteuerliche Reise in den Westen Amerikas.

 

Ins Herz geschlossen
Ich bin immer noch überwältigt von der Herzlichkeit der Menschen, die man über zehn Monate so liebgewonnen hat. Charly, mein amerikanischer Opa, der mir mit über 70 Jahren in Cowboystiefeln das Western-Reiten beigebracht hat. Kathy und Larry, die besten Freunde meiner Gasteltern, die zu den Volleyball- und Basketballspielen zum Anfeuern gekommen sind, ohne dass sie mich zunächst näher kannten. Meine herzensguten Großeltern, die sich um mich gekümmert haben, wenn ich krank war oder wieder einmal eine Fahrgelegenheit brauchte. Meine Coaches (Trainer), die mir mit viel Zeit und Mühe die wichtigsten Elemente meines inzwischen Lieblingssports, den Basketball, beigebracht haben. Bob, der für uns alles in Bildern festgehalten hat. Das älteste Ehepaar in Adrian, das mit über 90 Jahren noch jeden Sonntag mit dem Auto zur Kirche fährt und mit vielen Mühen eine Abschiedskarte für mich geschrieben hat. Alle meine Freunde von der High School, durch die ich den Teamgeist der amerikanischen Jugend miterleben durfte. Aber am meisten danke ich vor allem meinen Gasteltern, die mich und meine Gastschwester aus Brasilien so herzlich aufgenommen haben und uns ein zweites Zuhause geschenkt haben. Das Auslandsjahr hat mir die amerikanische Kultur näher gebracht, die nicht nur aus Hollywood, Route 66 und Fast Food besteht. Viele Situationen musste ich eigenständig meistern, so dass ich mit viel mehr Selbstständigkeit zurückgekehrt bin. Und ich durfte feststellen, wie hart die Jugendlichen arbeiten müssen, um sich ihren Lebenstraum erfüllen zu können.

Am Ende des Schuljahres bin ich glücklich über jede einzelne Entscheidung, die von mir oder von anderen Verantwortlichen in meinem Sinne getroffen wurden. Es war ein außergewöhnliches und unvergessliches Jahr.

Ich habe es trotz einiger Widrigkeiten nie bereut, diesen Schritt über den Atlantik gewagt zu haben und kann es jedem nur empfehlen, diesen Schritt ebenfalls zu wagen.

Die Gymnasiastin Marieke Frerichs aus Wallinghausen verbrachte ein Austauschjahr im US-Bundes- staat Oregon. Der Ort Adrian, in dem sie lebte, liegt östlich von Oregon in der Nähe des Snake Rivers. Für die ON berichtet sie von ihren Erlebnissen und Eindrücken.
Quelle: Ostfriesische Nachrichten – 17. Juli 2014


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